Als Russland die Ukraine überfiel, gab es eine große Welle der Hilfsbereitschaft. Die Solidarität mit den ukrainischen Geflüchteten ist auch knapp zwei Jahre später groß – aber es gibt auch deutliche Anfeindungen. Von Raphael Jung
Olga Liuba lebt in Berlin-Gesundbrunnen. Die 35-Jährige kommt aus Tschernihiw, einer Stadt im Norden der Ukraine. Schon vor dem russischen Überfall auf die Ukraine hat sie als Pflegehelferin in Berlin gearbeitet. Anfeindungen gegen sie als Ukrainerin kennt Olga seit Beginn der russischen Invasion in ihr Heimatland. Doch seit kurzem erlebt sie fast jede Woche verbale Übergriffe – nicht nur online in den sozialen Netzwerken, sondern auch in der Öffentlichkeit.
"Ich hatte das Gefühl, gleich fliegen Flaschen"
"Ich war mit meiner Bekannten im Supermarkt einkaufen und wir haben Ukrainisch gesprochen", erzählt Olga. In der Nähe der Kasse habe ein
Mann mit dunklerem Hauttyp angefangen, sie zu beleidigen. "Wir wurden als Edelflüchtlinge beschimpft, wir sollen zurück in die Ukraine gehen
und uns um unser Land kümmern", erzählt Olga. "Die Ukraine gehöre zu
Russland, wir sollen uns nicht so bemitleiden", habe der Mann gerufen.
Der
Vorfall ereignete sich im Dezember. Als Olga zwei Wochen später mit
ihrem Auto, das einen blau-gelben Ukraine-Aufkleber trägt, aus einem
Parkhaus fährt, wird sie von einer Gruppe junger Männer mit
Einwanderungsgeschichte angeschrien, beleidigt und – während sie im Auto
sitzt – angespuckt. Sie habe sich damals sehr erschreckt, erinnert sich
Olga. "Bis dahin dachte ich nicht, dass ich hier unsicher bin. Aber
diese Situation war heftig. Ich hatte das Gefühl, gleich fliegen
Flaschen."